"Tränenpalast"

Als ich noch Lehrerin war, hatte ich versucht, meinen Sozialkunde-Unterricht so lebendig wie möglich zu gestalten. Ein Highlight war dabei eine Veranstaltungsreihe „Deutschland - von der Teilung zur Wiedervereinigung“.  Zeitzeugen vermittelten mit der Schilderung des persönlich Erlebten den Jugendlichen Eindrücke von einer Epoche der jüngsten deutschen Geschichte – einer Epoche, die ansonsten allzu schnell in Vergessenheit zu geraten drohte. Exkursionen zu den Handlungsorten dieser Geschichte rundeten das Bild ab. Exkursionsziel war meist Berlin.   

Jetzt war ich als Landtagsabgeordnete in Berlin und nutzte die Gelegenheit zum Besuch eines Handlungsortes, der in dieser Form während meiner Schul-Reihe nicht zugänglich war. Im „Tränenpalast“ war in der Zeit der Berliner Mauer zwischen 1961 und 1989 die Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße untergebracht. Von hier ging es – nach schikanösen Kontrollen durch die Grenzorgane der DDR – per S-, U- oder Fernbahn in den Westen der Stadt. Dieser Weg war den meisten DDR-Bürgern verwehrt. Sie mussten hier von ihren Besuchern aus dem Westen Abschied nehmen, wobei so manche Träne floss (daher die Bezeichnung für das Gebäude, das über einen Verbindungsgang mit dem eigentlichen Bahnhof verbunden war). 

Nach dem Mauerfall wurde dieser Verbindungsgang 1990 entfernt. Der eigentliche „Tränenpalast“ wurde einen Tag vor der Wiedervereinigung noch von der alten DDR-Regierung unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2011 beherbergt er die vom „Haus der Geschichte“ betreute Ausstellung zum Alltag der deutschen Teilung.

Sorgsam haben die Ausstellungsmacher Objekte zusammengetragen, die dieses Kapitel der deutschen Teilung veranschaulichen. Zahlreiche Bild- und Tondokumente ergänzen den Eindruck. Aber erst durch die Schilderungen bei einer Führung entsteht ein nachhaltiger Eindruck – wie durch Herrn Krieger bei meinem Besuch. Und er war es auch, der noch einmal an das Besondere dieses – eigentlich mehr oder minder zufälligen Besuchstages erinnerte – den Volksaufstand am 17. Juni 1953.   

Seiner Anregung, doch wieder zum 17. Juni als „Tag der Deutschen Einheit“ zurückzukehren, kann ich durchaus folgen. Denn an diesem Tag hatte das Volk seinen Willen zur Einheit bekundet – dem 3. Oktober fehlt diese Art der Legitimation.